Schaffen wir Vermögen dank billiger Zinsen?
Zur Miete wohnen? So´n Quatsch, bei den billigen Zinsen ist es viel cleverer, wenn man ein Eigenheim finanziert und Vermögenswerte schafft. Ein Kredit, der inzwischen für deutlich unter 4 % p.a. zu haben ist, da ist man ja doof, wenn man hier nicht zuschlägt.
Nun gut, „schaffen wir Vermögenswerte“ und rechnen nach.
Bei einem Kaufpreis von 210.000 €, einer monatlichen Tilgungsrate von 798 € (1 % Tilgung – was übrigens viel zu wenig ist) und einem effektiven Zinssatz von 3,62 % p.a. kommt man zu dem Ergebnis, dass in 42,5 Jahren aus dem Darlehensnehmer ein Eigentümer geworden ist. Der Gesamtaufwand, also der eigentliche Wert des „Eigenheims“ zu Beginn des Darlehens und des tatsächlich geleisteten Gesamtaufwandes beträgt mit Zinsen 408.748,09 €. Die geleisteten Zinsen belaufen sich auf 198.748,09 €, was fast dem eigentlichen Anschaffungswert entspricht. Irgendwie habe ich hier noch nicht das Gefühl, Vermögen geschaffen zu haben, aber vielleicht kommt das ja noch…
Nun werden die niedrigen Zinsen nicht ewig so niedrig bleiben.
Bei uns werden die Zinsen zwar nicht in gleicher Form so flexibel dem Markt angepasst wie dies in anderen Ländern der Fall ist, eine Zinsveränderung nach 10 oder 15 Jahren wird für viele jedoch trotzdem der Supergau sein. Ein Darlehen von 210.000 €, das für zehn Jahre zu einem Zinssatz von 3,62 % abgeschlossen wird, kostet im Monat 798 €, liegt der Zinssatz in 10 Jahren bei 6,5 %, dann kostet das Darlehensschätzchen bereits 1.150 € pro Monat, obwohl bereits rund 26.000 € an Zins und Tilgung geleistet wurden.
Die Laufzeit des Darlehens verändert sich überhaupt nicht, die knapp 43 Jahre werden einem bis zum Schluss gegönnt! Womit auf einmal 357 € an höherer Belastung im Monat finanziert werden sollen, obliegt vollständig dem Erfindungsreichtum des Vermögensschaffenden.
6,5 % Zinsen pro Jahr kosten den Kreditnehmer nun auf die Restlaufzeit von gut 31 Jahren nochmals rund 246.028 Euro, so dass die Ursprungsfinanzierung von 210.000 € (und auch der eigentliche Wert der Immobilie) zu einer Gesamtbelastung von 538.608,43 € führt.
Die Wertsteigerung, die einer solchen „Geldanlage“ widerfahren müsste liegt bei 2,24 % pro Jahr, die aber (wenn überhaupt) nur dann realistisch ist, wenn regelmäßige Reparaturen und Modernisierungen durchgeführt werden. Das heutige Traumhaus ist sonst in 40 Jahren „kalter Kaffee“, das dem Eigentümer niemand ohne enormen Wertverlust abkaufen wird.
Modernisierungen jedoch kosten wieder Geld.
Dies kann man im Moment ganz herrlich beobachten, man denke nur an unsere Energiewende. Diese Mehraufwendungen sind in unserem Modell noch gar nicht berücksichtigt; hier wird nur die im Jahr 2013 finanzierte Hütte über Jahrzehnte abbezahlt. Die Vermeidung eines Verfalls muss extra finanziert werden!
In diesem Modell hat der Vermögensschaffende also „sein Haus“ 2,56-fach abbezahlt. Ich erkenne den Vermögenswert nun erst recht nicht mehr – es sei denn, wir drehen den Fall um und identifizieren den echten Nutznießer. Die Bank sagt die Wahrheit, wenn sie von „Ihrem“ Haus als Vermögenswert spricht, sie vergisst nur zu sagen, wessen Vermögenswert es ist.
Den Preis für die Schaffung von Vermögenswerten für Banken und Institutionen zahlt der Darlehensnehmer und dieser Preis ist oftmals verflucht hoch. Mit der Unterschrift unter dem Kreditvertrag tritt der Darlehensnehmer in den meisten Fällen zudem auch noch das Recht ab, eine Meinung zu äußern, die dem Banker nicht in den Kram passt.
Ab sofort sitzt die Angst mit im Boot.
Die Angst, die Raten nicht mehr zahlen zu können und sich mit einem jahrelangen Vollstreckungstitel jede Chance auf einen Neuanfang zu verbauen; die Angst, dass die Bank von ihrem vertraglich vereinbarten Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht; die Angst, dass die Bank erhöhte Sicherheiten verlangt, weil der Wert der Immobilie „nachgegeben“ hat; die Angst, dass der Staat den gesetzlich legitimen Lastenausgleich aus dem Hut zaubert und eine Zwangshypothek eintragen lässt; die Angst, dass die Mitmenschen merken, dass man ein „Vollversager“ ist; die Angst, seinem Chef nicht mehr genehm zu sein und man diesem somit auf alle Tage hinaus ausgeliefert ist, weil man sonst nämlich nicht nur seinen Job verliert.
Vielen von uns wird von klein auf eingeredet, dass ein Eigenheim die wichtigste Anschaffung unseres Lebens ist. Es wird uns oftmals so lange eingeredet, bis wir selbst daran glauben – auch wenn uns der Druck zunehmend kaputt macht. Ist es wirklich so erstrebenswert, sein ganzes Leben lang Schulden zu haben? Schulden, die vielen Menschen die Luft abschnüren und Investments in pures Lebensglück unmöglich machen?
Wie oft würden wir anders reagieren, anders reden, anders handeln, wenn wir weniger Verpflichtungen hätten? Wieso tun wir uns das an – wenn (und davon ist auszugehen) entweder die Kinder unsere Vermögenswerte gar nicht haben wollen oder – noch wahrscheinlicher – der Staat so unerbittlich Erbschaftssteuern erheben wird, dass sich ein Weiterreichen von Lebenswerken nicht mehr lohnen wird?
Rackern fürs Heim
Die meisten Menschen arbeiten sich daran ab, um im Laufe ihres Lebens ein wenig Land, ein paar Steine und Wände und ein Dach darauf ihr Eigen zu nennen. Wir nennen das unser „Zuhause“. Für unser „Zuhause“ sind wir bereit, uns zu Leibeigenen von Banken zu machen. Ein „Zuhause“ sollte Sicherheit bieten, einem das Gefühl von Geborgenheit vermitteln – für viele ist es jedoch gleichbedeutend mit Sorgen, Stress und Erschöpfung, zumal wir Zeiten entgegengehen, die selbst für ausgemachte Optimisten enorme Herausforderungen bedeuten werden. Die Berufswelt wird sich in immer kürzeren Abständen verändern, die Wahrscheinlichkeit, dreissig Jahre im Voraus planen zu können, ist verschwindend gering geworden.
Und trotzdem sind die Menschen bei Immobilienfinanzierungen besonders zuversichtlich und glauben, dass ihnen in den nächsten Jahrzehnte nichts passieren wird, was ihr Leben durcheinanderwirbelt. Für die Banken ist diese Naivität ein blendendes Geschäft, sie profitieren immer, egal, was passiert. Entweder der Darlehensnehmer oder der Steuerzahler – einer zahlt auf jeden Fall.
Wenn man dann noch berücksichtigt, unter welchen Umständen die Banken das Geld schöpfen und dass wir mit echten Werten die Nichtwerte des Fiat-Money finanzieren, sollte einem die Lust aufs Schuldenmachen eigentlich glatt vergehen.
Jeder einzelne Kredit nährt dieses degenerierte System und solange wir über kein solides Geld verfügen, ist ausnahmslos jede Verschuldung ein Desaster.
Quelle: Susanne Kablitz