Erneut sehr ehrlicher Artikel auf welt.de

Das Nachrichtenmagazin die Welt, veröffentlicht erneut einen sehr ehrlichen Artikel auf ihrer Online-Seite. Bevor dieser wieder zensiert oder gar gelöscht wird, will ich ihn hier festhalten.

Dem Euro-Abenteuer droht ein schreckliches Ende

Es ist etwas faul in Euroland. Mit Irland ist nun der zweite Mitgliedsstaat unter seiner Schuldenlast eingeknickt und muss von den anderen gestützt werden. Würden die Deutschen nicht von der Terrorwarnung in Atem gehalten, gäbe es wohl hierzulande größeren Widerstand gegen die hektische Rettungsaktion. Doch die Bevölkerung nimmt – anders als im Fall Griechenlands vor einem halben Jahr – Irlands Debakel nur am Rande wahr. Dabei ist die Gefahr immens, die von der seit Monaten anhaltenden Euro-Krise ausgeht. Schließlich ist die Stabilität der Währung gerade für die Deutschen ein wesentlicher Anker. Reißt er, droht dem Land eine Verunsicherung, die weitaus spürbarer und berechtigter sein dürfte als die Angst in Zeiten der Finanzkrise. Denn stabiles Geld war stets die Grundlage unseres Wohlstands.

Es gibt ökonomische Alternativen

In großer Eintracht bemühen sich Banker und Politiker auch dieses Mal, den Weg, den die Euro-Gruppe beschreitet, als „alternativlos“ darzustellen. Möglich, dass die Regierungschefs und die Finanzminister tatsächlich einen solchen Zwang zur Rettung überschuldeter Mitglieder sehen. Ökonomisch aber gibt es sehr wohl Alternativen. Und die Euro-Länder täten gut daran, andere Wege zu prüfen.

Denn spätestens, wenn als drittes Land Portugal und danach womöglich Spanien und Italien anklopfen, wird sich der eingeschlagene Pfad als Holzweg erweisen. Die Finanzmärkte werden schon bald erneut testen, wie weit die Hilfsbereitschaft von Deutschland, Frankreich und anderen noch reicht. Da die Zahlerstaaten selbst Schuldenberge angehäuft haben, sind der Solidarität ohnehin natürliche Grenzen gesetzt.

Deutschland muss eine Führungsrolle einnehmen

Die Bundesrepublik Deutschland als größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union muss endlich eine Führungsrolle bei der Lösung der Währungskrise übernehmen. Statt die Rettung des Euro um jeden Preis zu propagieren und zu einer Frage von Krieg und Frieden zu erklären, sollte die Bundesregierung angesichts der veränderten Realitäten deutlicher als bisher Forderungen für eine Verschärfung des Stabilitätspaktes stellen.

Jetzt, da die Gemeinschaft auf die zahlungskräftige Mitwirkung der Deutschen nicht verzichten kann, ist der beste und wahrscheinlich einzige Zeitpunkt, an dem sich der Kardinalfehler des Vertragswerks heilen ließe: die Unmöglichkeit, Mitglieder bei schwerwiegendem Fehlverhalten aus dem Euro auszuschließen.

Euroland ist längst Transferunion

Wer eine solche Forderung ins Reich der Träume verweist, sollte sich vor Augen führen, wie weit sich das real existierende Euroland von seinen Ursprüngen entfernt hat. In der Währungsunion seien Transferleistungen so absurd wie eine Hungersnot in Bayern, hatte der Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker vor dem Start ins Euro-Abenteuer versichert. Die Klausel, nach der jeder Staat für seine eigenen Schulden geradesteht, sollte die Garantie dafür sein, dass kein Land auf Kosten der anderen herausgepaukt wird.

Genau dieser eigentlich verbotene Pfad gilt in Brüssel heute als der einzig gangbare. Dabei war den Gründungsvätern vollkommen klar, dass nur das Prinzip „Jeder haftet für sich selbst“ in einer Währungsfunktion funktionieren kann, in der die Haushaltspolitik weiterhin den einzelnen Nationalstaaten obliegt. Der erneute Verstoß gegen diesen Grundsatz zeigt, dass Euroland längst die Transferunion ist, die man eigentlich mit den Stabilitätsregeln verhindern wollte.

Kulturelle Unterschiede sind hochproblematisch

Die Hoffnung, dass der Euro die Gemeinschaft zusammenschweißt, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil. Zwischen den früheren Weichwährungsländern und den stabilitätsorientierten Ländern klafft ein tiefer Graben. Die Deutschen haben kein Verständnis für die schuldengetriebene Konsumlust der Griechen und Spanier. Umgekehrt reagieren viele Südeuropäer allergisch auf die deutschen Sparappelle und das Pochen auf klare Spielregeln. Diese kulturellen Unterschiede sind innerhalb einer Währungsunion hochproblematisch. Es sind nicht die Spekulanten, die dem Euro zu schaffen machen. Die Finanzmärkte legen lediglich die Schwachstellen bloß.

Wie kann es weitergehen? Wenn die Politiker unverändert als Getriebene der Märkte reagieren, anstatt das Heft des Handelns entschlossen in die Hand zu nehmen, wird es so weiter Notaktionen geben. Und zwar solange, bis die Währungsunion entweder auseinanderfliegt oder sich die Europäische Zentralbank am Ende bereit erklärt, die Gelddruckmaschinen anzuwerfen, um das Verschuldungsproblem über Inflation zu lösen. Schon die Tatsache, dass die Europäische Zentralbank in der Euro-Krise angefangen hat, Staatsanleihen von Krisenländern zu übernehmen, zeigt, dass sich die EZB als weniger standfest erwiesen hat, als es die Bundesbank in den alten D-Mark-Zeiten war.

Die gemeinsame Währung ist kein Selbstzweck

Damit das Euro-Abenteuer nicht ein schreckliches Ende nimmt, muss Deutschland klarmachen, wo die Grenze seiner Belastbarkeit liegt. Es geht nicht um nationale Kraftprotzerei, sondern um Realitätssinn. Gerade um der europäischen Einigung keinen dauerhaften Schaden zuzufügen, darf man die Zukunft der EU nicht allein vom Euro abhängig machen. Möglicherweise ist der jetzige Währungsraum in seinen heutigen Grenzen nicht zu halten. Wer das für ketzerisch hält, sollte sich klarmachen, dass der EU-Rettungsplan die Hellenen zwingt, 15 Prozent ihrer Volkswirtschaft einzusparen. Eine solche Schrumpfkur hat es in Friedenszeiten noch nie gegeben. Irlands Lage ist kaum besser. Die gemeinsame Währung ist kein Selbstzweck, sondern dient der europäischen Einigung. Die EU ist viel mehr als nur Euroland.

Quelle: http://www.welt.de/debatte/article11138091/Dem-Euro-Abenteuer-droht-ein-schreckliches-Ende.html

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